18.10. – 1 Monat ohne dein Lächeln (Tag 26)

Mein geliebter Schatz!

5:27 – genau jetzt vor 1 Monat war meine Welt noch in Ordnung, für wenige Minuten noch. Aufwachen, Kaffee machen, Handy checken…. Keine Vorahnung, kein Bauchkribbeln – Kopf noch im Leerlauf oder mit Dingen beschäftigt, die zu erledigen waren in den nächsten Tagen. Vorfreude auf den bevorstehenden Kurzurlaub… wir beide allein in Jesolo.

Wo ist dieser Monat hin? Es scheint als wäre es gestern passiert. Und doch ist es eine Ewigkeit, seit ich das letzte Mal deinen Blick auf mir gespürt, deine Stimme gehört, dein Lächeln gesehen habe. Seit du zuletzt “Gute Nacht” gesagt hast oder dich morgens mit “Bin ich schon in Paaansion?” verabschiedet hast.

Was ist 1 Monat? 30 Tage. 720 Stunden. 43200 Minuten.

Nichts, ein Wimpernschlag. In 2 Monaten ist schon Weihnachten – das erste ohne dich.

Eine Ewigkeit, ich empfinde jede Sekunde ohne dich wie einen Nadelstich. 2.592.000 Nadelstiche, qualvoll, schmerzhaft, fast unerträglich.

Die Zeit hat keine Bedeutung mehr, schiebt sich zusammen und dehnt sich ins Endlose, manchmal gleichzeitig. Es ist auch gleichgültig ob sie mir schnell oder langsam erscheint – sie ist sinnlos ohne dich, leer, ohne jeglichen Wert. Ob sie stehenbleibt, rasend schnell vergeht oder ganz gleichmäßig verrinnt – sie ändert nichts an der Tatsache, dass du nicht mehr an meiner Seite bist!

5:55 – ich rufe die Rettung, vor genau 1 Monat. Nichts wird je wieder so sein wie es war. Mein Leben, dein Leben, UNSER Leben ist nicht mehr existent. Weg, ausgelöscht, vorbei. Ab jetzt muss ich unseren Weg alleine gehen, dabei ist er doch viel zu breit, viel zu lang ohne dich.

Es ist, als wären wir mit dem Womo gemeinsam auf der Autobahn unterwegs gewesen. Und plötzlich bleibst du stehen, völlig abrupt und ich muss aussteigen und zu Fuß weitergehen. Allein. Mitten auf der Autobahn. Um mich fahren alle Autos in gewohnter Geschwindigkeit weiter, nur ein pasr sind langsamer geworden, bleiben in meiner Nöhe, bilden einen Schutzwall um mich. Doch sie alle sitzen in ihren eigenen Autos, ich kann in keines einsteigen, keiner kann seines anhalten. Ich gehe weiter, allein. Unseren Weg. Ich möchte zurückgehen, bei dir sein, mich nicht mit jedem Schritt entfernen. Oder mich einfach auf den kalten Asphalt legen und mich vom nächsten LKW einfach überrollen lassen. Weder das eine noch das andere ist möglich, ich muss weitergehen. Schritt für Schritt, sind sie auch noch so klein.

Heute

Der letzte von dir gekaufte Kaffee ist leer. Lucy hat deine Äpfel aufgegessen. Aber wir haben noch Teelichter und scharfe Zucki. Davon hast du Unmengen gekauft. Komisch, solange du gelebt hast, war die Schüssel fast immer leer, weil ich ständig vergaß für Nachschub zu sorgen. Kaffee war dein Part, den hast immer du gekauft. Jetzt hab ich einen anderen gekauft, ich wollte nicht zum Hofer fahren – das war dein Einkaufsweg, nicht meiner.

Früher Morgen, ich schreibe Beiträge nach, von deinem Todestag, der Verabschiedung, den Tagen dazwischen. Sie sind auf „privat“ gestellt, nur angemeldete Nutzer können sie lesen. Ich möchte nicht, dass die Kinder sie lesen, noch nicht. Vielleicht später einmal. Ich tauche tief in diese Zeit ein, bin dir ganz nah. Doch es kostet Kraft, immense Kraft. Ich hab keine mehr.

Es ist später Vormittag, ich habe die nächsten Wände im Wohnzimmer freigeräumt. Weiter ausmalen. Lustlos. Lieber würd ich mich auf der Couch einrollen. Geht nicht, die steht mitten im Raum. Also muss ich jetzt weitermachen. Immer weitermachen, Kraftreserven anzapfen, von denen ich nicht wusste, dass es sie gibt.

Mir ist schwindlig, mein Körper signalisiert: Mach eine Pause. Ich will aber das Wohnzimmer fertig kriegen, morgen ist wieder Arbeit, nächstes Wochenende schon verplant. Eine kurze Pause, ok.

Ich sitze hier, schaue dein Foto an. Es katapultiert mich wie immer sofort in unser gemeinsames Leben zurück. Du kannst doch nicht weg sein. Für immer. Du musst doch jetzt endlich zurückkommen und dem Spuk ein Ende bereiten.

Ich will nicht mehr, kann nicht mehr, will nicht mehr stark sein, „es“ schaffen. Ein Weinkrampf schüttelt mich, schmerzt körperlich, ich kann nicht mehr aufhören. Lucy kommt und hält meine Hand, sie weiß, dass Worte jetzt nicht helfen. Das nichts hilft.

Warum ich dann alles alleine mache, mir nicht helfen lasse? Das hat 2 Gründe.

Zum ersten hätte ich sonst gar nichts mehr zu tun. Und nichts Tun bedeutet sitzen und grübeln, weinen und trauern, verzweifeln. Also mach ich, auch wenn andere das besser könnten.

Und zum Zweiten: wenn ich selbst ausmale, registriert mein Hirn, dass DU es nicht mehr machst. Weil du nicht mehr da bist. Darum mache ich es. Würde jemand anderer ausmalen, könnte ich mich selbst belügen und mir einreden, du hättest bloß keine Zeit oder Lust gehabt. Wenn ich es selber mache, wird es WAHRER, GREIFBARER.

Wieder muss ich ein 2. Mal malen, hab keine Lust mehr. Lucy ist mit einer Freundin unterwegs – gut so, ein bisschen Normalität für sie. Ich bin allein, warte bis die Wand trocken genug ist. Möchte schlafen, vergessen, weg. Wohin? Zu dir. Aber ich weiß, ich würde dich nicht finden, also bleibe ich. Nicht weil ich glaube, dass es irgendwann besser wird, sondern weil ich keine andere Option habe.

Ich bin fertig, für heute ist es genug. Das Wohnzimmer ist fertig und aufgeräumt. Es hat keinen Spaß gemacht, aber ich hab es geschafft. Es ist erst dreiviertel drei und ich habe keine Ahnung, wie ich diesen Tag herumbringe. Hab zu nichts mehr Lust, keine Kraft mehr noch irgendetwas zu machen.

Mein Engel, ich vermisse dich so unglaublich, es tut so weh ohne dich zu sein, ich weiß nicht wie ich je damit werde leben können.

In ewiger Liebe deine Prinzessin