13. Woche – 91 Tage
Mein geliebter Schatz,
heute vor 3 Monaten hab ich dich an die Tür auf die andere Seite begleitet – wie versprochen bis zum letzten Atemzug. Seitdem versuche ich mehr oder weniger erfolgreich, mein Leben ohne dich zu bestreiten.
Aus der anfänglichen Sinnlosigkeit und Desorientierung wurde langsam, Schritt für Schritt ein kleines Licht, ein Teelichterl quasi, das mir einen Weg weist. Der Sinn dieser Erfahrung erschließt sich mir immer noch nicht – was nutzen mir die schönsten Erkenntnisse, wenn ich sie doch nicht mehr umsetzen kann? Weil du nicht mehr da bist und ich sie nicht mit dir teilen kann. Was bringt es mir zu wissen, dass (gemeinsame) Zeit das wichtigste und wertvollste Geschenk ist, das sinnlose Diskussionen keinen Wert haben und das wir so gut zusammen harmoniert haben?
Aber ich will nicht undankbar sein, du hast mich zu Lebzeiten gelehrt, nach vorne zu schauen und Probleme anzupacken und eine Lösung zu suchen. Dinge auszuprobieren, auch wenn sie schwierig erscheinen, keine Angst vor Unbekanntem zu haben und mir mehr zuzutrauen als jeder andere. Du wusstest, dass ich es schaffen würde – du hast an mich geglaubt und deshalb konntest du friedlich und sorgenfrei hinübergehen.
Seitdem sind 3 Monate vergangen, die mir manchmal wie 3 Jahrzehnte erscheinen, so lange ist das schon her. Manchmal auch nur wie 3 Minuten. Wie erging es dir bisher da drüben? Hast du dich eingelebt? Ist es schön dort? Hast du deine Lieben getroffen, die vor dir auf die andere Seite wechselten? Ist Puppe bei dir? Wahrscheinlich bist du den ganzen Tag von all deinen Hunden umgeben, gell? Hast du Maria Helene empfangen und es ihr gemütlich gemacht? Ganz sicher.
(Du könntest übrigens ruhig öfter vorbeischauen bei mir, wenigstens im Traum – ich vermiss dich schon arg. Am meisten dann, wenn es mir gut geht oder etwas Lustiges passiert – dann würde ich gerne mit dir lachen.)
Mein geliebter Schatz, endlich ist die Weihnachtszeit da, eine Zeit, in der du mir wieder so nahe wie nie sein wirst. Wir machen heuer ja (schon wegen Corona) alles anders – es täte dir alles so auf die Nerven gehen.
Wie wäre Weihnachten heuer mit dir? Du hättest die Kinder wahrscheinlich auf 2 Tage aufgeteilt – und nicht auf vier, so wie ich – damit du so schnell wie möglich deine Ruhe hast und ein paar Tage nur essen und fernsehen kannst, gell?
„Kumman die scho wieder alle zu uns?“ hättest du gebrummt – und dich doch über deine Mädels gefreut.
Du hättest dir gedacht, die sind mittlerweile alle verrückt, aber dich hätte auch der nächste Lockdown nicht gestört. Wieder Zeit daheim bei deiner Familie, wieder weniger Streß. Mich stört er auch nicht, ich brauch schon noch mehr Zeit für mich als normalerweise.
Traurig wärst du sicher gewesen, dass Silvester in Jesolo ausfällt, darauf haben wir uns so gefreut. Das wäre so Besonders gewesen. Silvester am Meer… Obwohl Bad Waltersdorf auch immer schön war – die haben Lucy und mir eine ganz liebe Karte geschrieben. Dort werden wir sicher bald mal wieder auf Urlaub hinfahren. Da fällt mir ein, das Wohnmobil muss ich demnächst auch mal bewegen. Na, wird schon klappen.
Unsere Silvesterurlaube waren immer so kuschelig und friedlich, nur wir drei in unserem warmen WoMo, Ruhe, Therme, Essen, schlafen. Ich mach es uns heuer halt daheim flauschig schön, ok?
Aber sonst? Du hättest auch nicht viel anders gemacht als ich jetzt, oder? Denn all die Veränderungen haben ja nichts damit zu tun, dass du nicht mehr (sichtbar) bei uns bist, sondern mit der Pandemie. Ist halt heuer so, nächstes Jahr schauts wieder anders aus.
Ich hab aber auch brav alle deine Vorschläge umgesetzt, die du mir im November durchgegeben hast – so hab ich schon den Advent sehr gut durchlebt. Wie gefällt dir unser Christbaum? Ist schön geworden, gell? Und so schön, dass er jetzt so lange steht und wir kein großes Licht brauchen – das hast du immer so geliebt. Ich schalte jeden Tag die Lichter für dich ein, siehst du das? Ja, ich bin sicher, dass du das tust.
Auch sonst hab ich ja einiges verändert im Haus, großteils Sachen, die wir ohnehin geplant hatten. Nur hat uns immer das Geld und die Zeit gefehlt. Naja, jetzt hab ich beides, dafür muss ich es halt allein machen. Man kann nicht alles haben, scheint mir. Aber ich bemüh mich (nur falls du das von drüben nicht so gut siehst), ich mach alles, so gut ich kann. Ich weiß, das mit dem Wegräumen nach dem Arbeiten üb ich noch. Aber ich pass gut auf deine Sachen auf, versprochen.
Und ich bin schon echt gut im Bohren und Malern und Zusammenbauen von Möbel. Die Ikea-Sachen wären nicht so deins gewesen, ich weiß – aber mir gefallen sie. Irgendwas muss ich ja auch davon haben, wenn ich schon die ganze Arbeit hab.
Hier laufen den ganzen Tag Weihnachtslieder, nur am Samstag haben wir den Ostbahn Kurti gröhlen lassen, als Gerhard und die Gitti da war – aber da warst du eh bei uns, brauch ich dir eigentlich gar nicht erzählen. Das hat dir gefallen, gell, dass wir da echt entspannt aus vollem Herzen lachen konnten. Wo wir doch alle miteinander grad gar nicht so viel zum lachen hätten. Aber manchmal hilft halt nur mehr Humor und Abschalten.
Mein Liebling, die Rauhnächte haben begonnen, das Jahr hab ich mit der Abschlußmeditation abgeschlossen, das Visionsboard ist verbrannt (weißt du noch, wie wir im Silvesterurlaub alles nach Prospekten abgeklappert haben, damit ich das gestalten kann?) – da hab ich aber vorher unser Bild runtergenommen, das wollte ich nicht verbrennen, ich hab so ziemlich alles erledigt, was noch offen war – das Auto ist auch bezahlt und steht jetzt gut in Baden im Autohaus, dort wird ihm nicht kalt. Jetzt noch ein bissi aufräumen und ab 24. gehts dann los, da schreib ich wieder jeden Tag in mein Buch, während du noch schläfst. Immer in der Früh, da hab ich Ruhe. Aber das kennst du ja. Und diesmal wird es ganz Besonders: da kannst du mir sagen, was zu tun ist und was wichtig ist. Ich freu mich schon drauf.
Nun, mein Engel, hab noch ein paar schöne Tage (gibt es Tage bei euch?, wir sehen uns zu Weihnachten.
Ich liebe dich
deine Prinzessin
Die Woche
Ich habe es geschafft, eine ganze Woche nicht von der „guten Welle“ runterzufallen, selbst all die traurigen und belastenden Nachrichten konnten dem nichts anhaben. Ich bin stolz auf mich. Und ich habe vor diesen Zustand so lange wie möglich beizubehalten. Ich werde absolut nichts tun, was mich bedrücken oder runterziehen könnte, sondern die guten Momente genießen.
Dabei helfen wird mir die Rauhnachtszeit, die gestern begonnen hat mit der Wintersonnenwende, in der die Samen für das neue Jahr gelegt werden und in der alle Schleier gelüftet, alle Türen weit offen sind. Eine Zeit also, in der Richi mir wieder ganz ganz nah sein wird, jetzt schon nah ist. Jetzt sind noch bis zum 24.12. die Lostage, der absolute Stillstand, Altes wird abgeschlossen, Neues ist noch nicht da – Leere, Innehalten, Stille. Aufräumen (innen und außen), reinigen, abschließen, fertig machen. Ab 24.12. beginnen dann die eigentlichen Rauhnächte, wo jeder Tag für einen Mondmonat im nächsten Jahr steht.
Ich freue mich auf diese Zeit, werde so wenig wie möglich online sein und mir Zeit für mich gönnen. Ich spüre, dass ich diese Ruhe brauche, nur bei mir bleibe und keinerlei Verpflichtungen habe. Das Geschäft ist „urlaubs“zu, also auch hier kein Handy, kein Erreichbar-sein-müssen, kein Wecker.
Es ist nicht wichtig, was war, es ist nicht wichtig, was wird – wichtig ist nur das JETZT und HIER. Und das werde ich zelebrieren, ganz bewusst. Ich bin (ziemlich) überzeugt, das man auch so emotionsbeladene Feiertage und Gewohnheiten, traditionelle Tage sehr gut erleben kann (nicht nur überstehen), wenn man sich freimacht von Erwartungen und Erinnerungen an „früher“.
Ja, vielleicht schreib ich nächste Woche: Sch***, hat nicht geklappt, alles war furchtbar und ich feier nie wieder Weihnachten…
Aber wenn ich es nicht versuche, werde ich es nicht erfahren. irgendwann in der letzten Woche ist mir bewusst geworden – also so wirklich – das es völlig egal ist, was ich tue oder nicht tue – es ändert nichts an den Tatsachen. Es ist wie es ist.
Das bedeutet nicht, dass ich „fertig“ bin mit Trauern oder Richi vergessen hätte – aber er kommt nicht wieder, wenn ich Tag und Nacht weine und Vergangenem hinterhertrauere und er kommt nicht wieder, wenn ich lache und Pläne schmiede fürs neue Jahr und es mir gemütlich mache. Mit der zweiten Einstellung lebt es sich aber einfacher und entspannter.
Mir ist durchaus bewusst, dass es auch wieder Trauerphasen geben wird, wo ich nur traurig bin, aber solange es in meiner Macht steht, dass ich auf der Welle surfe und nicht drunter absaufe, solange werde ich alles dafür tun. Ich bin sicher nicht hier auf der Erde um die nächsten 20 Jahre den Fernseher anzustarren (oder die Wand) und Richi ist sicher nicht gegangen um mich in ein finsteres Loch zu schubsen, aus dem ich nicht mehr rauskomme. Denn DANN hätte das ganze Leben hier keinerlei Sinn, für niemanden.
Jaja, ich weiß eh, klingt alles super abgehoben und (O-Ton Richi) nach „Frau Obergscheit“, aber mehr kann ich euch heute nicht bieten als das. Ich fühle mich so getragen von den vorherrschenden Energien, ich kann es nicht anders ausdrücken.
Grade wird mir dieses Lied zugespielt:
Ja, ich wünsch mir ein Wunder – Harmonie, Liebe und Zusammenhalt in diesen Tagen. Freude, Glück, Dankbarkeit – das ist mein Weihnachtswunsch für meine Familie und meine Mädels (da zähl ich auch jetzt meinen „Oberhäuptling“ dazu, er weiß schon was ich mein).
Ich hab euch alle furchtbar lieb und bin endlos dankbar euch an meiner Seite zu haben. Ihr seid einen bitteren Weg mit mir gegangen – und dafür danke ich euch. Ihr habt mich getragen, wenn ich nicht mehr gehen konnte, ihr habt mich aufgefangen, wenn ich gefallen bin, ihr habt mit mir gelacht, geweint, geflucht. Habt Arbeiten übernommen, die ich nicht tun konnte und mir applaudiert, wenn ich etwas geschafft habe. Danke dafür, danke für jeden Tag, den ihr an meiner Seite seid. Danke für jede Nachricht, jeden Anruf, jedes Aperölchen, jeden Besuch, für stundenlanges Tippen.
Danke dafür, das ihr nicht so getan habt, als wüsstet ihr alles besser, für eure Hilflosigkeit in dieser ungewohnten Situation – sie hat euch authentisch gemacht. Danke für jedes „falsche“ Wort – durch die wurde ich immer wieder aufgerüttelt, sonst wäre ich irgendwann im Selbstmitleid ersoffen. Danke dafür, dass ihr euch getraut habt, auch mal was „falsch“ zu machen, anstatt gar nix zu tun. Danke für jedes nicht ausgesprochene Wort, wenn ihr innerlich den Kopf geschüttelt oder die Augen verdreht habt, weil ich mich „komisch“ verhalten hab. Ich musste mich nie schlecht oder verrückt fühlen. Danke für jedes „sein lassen“ und nicht versuchen aufzumuntern, wegzureden oder abzulenken. Danke dafür, dass ihr einfach da wart, wenn ich euch brauchte ohne zu versuchen etwas „an mir“ zu ändern.
Danke an meine Kinder, die so tapfer sind und so erwachsen ihren Weg gehen, auch wenn ich ihnen nicht den Halt geben kann, den sie verdienen.
Danke an Familie und Freunde, die einfach aufgetaucht sind um zuzuhören, die geschrieben haben, die sich einfach zwischendurch gemeldet haben, die an Richi denken und ihn nicht vergessen. Danke an die Menschen, die ich durch Richis Weggehen erst kennenlernen durfte und die ihre Wertschätzung für ihn auf uns übertragen haben.
Dass ist das, was ICH euch heuer zu Weihnachten schenken kann – meinen aufrichtigen DANK und meine LIEBE! <3 (und a verruckte Schwester/Schwägerin/Freundin/Tochter/Mutter/Oma, die aus Weihnachten afoch a Party macht und zu „Rockin around the christmastree“ performt, während die Musikbox röhrt. – Aber das müsst ihr euch zum Glück ja nicht live geben) 😉
Bussi